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INTERFACE!

Wien, dezember 93

Hola c a l c! Lieber Omi Alonso-Novo-Scheiderbauer!

Markus erzaehlt mir seit Jahren von seinem Freund in Spanien. Was er dort macht, habe ich mir nie so recht vorstellen koennen. Erst als Lucy, gerade aus Asturien zurueckgkehrt, auf Dich zu sprechen kam, klaerten sich einige Dinge. Sie erzaehlte mir ueber die Plaene mit der Muehle, ueber das oberste Stockwerk im einzigen Hochhaus der Stadt und ueber c a l c. Das ist jetzt Monate her, ging mir aber nicht aus dem Kopf. Es ist an der Zeit, Dir, Euch, zu schreiben.

Ich beginne vielleicht damit, ein wenig von mir zu erzaehlen: Auch mich beschaeftigt die Frage, welche Auswirkungen die Entwicklung der elektronischen Medien auf unser Leben und auf unser Bewusstsein bringen wird. Die ersten Nachrichten von Cyberspace hatten mich in einen Ausnahmezustand versetzt und enthusiastisch beschloss ich, mich diesem und verwandten Themen im Rahmen einer Dissertation zu widmen. Das ist jetzt ungefaehr drei Jahre her und inzwischen sehe ich einige Dinge anders. Ich habe bemerkt, dass es nicht damit getan ist, in technischen Erloesungssehnsuechten zu schwelgen und das globale Bewusstsein zu erwarten und dass es nicht so einfach ist, sinnvolle Beitraege zu liefern. Ich begann daran zu zweifeln, ob es ueberhaupt noch so etwas wie einen “sinnvollen Beitrag” gibt, habe es aber bis heute nicht geschafft, dieses Konzept “Sinn” endgueltig zu verwerfen. Wenn ich mir medienkuenstlerische Arbeiten ansehe, so bemerke ich nur selten so etwas wie Forscher- oder Entdeckergeist; In den meisten Faellen beschraenkt man sich darauf, ein Publikum mit neuen, technischen Mšglichkeiten zu beeindrucken und nur hinter ganz wenigen Arbeiten werden konkrete eigene Visionen sichtbar. Wie oft habe ich mich gefragt, wann ich selbst endlich soweit sein wuerde, es besser zu machen. Mittlerweile habe ich gelernt, gelassen zu bleiben und mit mir selbst Geduld zu haben. Ich gestehe mir die Zeit zu, die es braucht um sich in diesem Gebiet auszukennen und Beitraege zu entwickeln. Im letzten Jahr hat sich – nicht zuletzt durch den Umstand, dass ich wegen meiner finanziellen Pleite zur Erwerbstaetigkeit gezwungen war- ein Spezialgebiet herauskristallisert: Interface Design. Ich habe mich im letzten Jahr mit der funktionellen und grafischen Gestaltung von Programmoberflaechen befasst, und mich zu einem “Spezialisten” entwickelt. Das Thema meiner Dissertation hat sich jetzt insofern geaendert, als ich versuche, das was bei der Interaktion zwischen Menschen und (technischen) Artefakten passiert, in eine Theorie zu bringen, eine Interface-Theorie also. Diese Theorie soll unsere Interaktion mit Buechern, Bildern, Werkzeugen bis hin zu Interaktionen mit und in virtuellen Raeumen beschreiben koennen und eine Hilfe beim Design interaktiver Systeme darstellen.

Ich habe im letzten Jahr nicht nur sehr viel gelernt sondern auch gut verdient; meine Schulden sind weg und es wird mir nach Abzug der Steuern, so hoffe ich, genug uebrig bleiben, dass ich fuer ein paar Monate nicht arbeiten muss. Ich moechte vor allem meine Dissertation abschliessen; ob mir sonst noch der eine oder andere sinnvolle Beitrag gelingen wird, wird sich zeigen. Vielleicht werden sich in den naechsten Monaten aber Dinge und Erfahrungen ereignen, die alle Plaene ad absurdum fuehren.

Ich habe Oesterreich schon langer im Verdacht, auf meine Persoenlichkeit zu druecken, und sehe keine Veranlassung diesem Verdacht nicht einmal dadurch auf den Grund zu gehen, dass ich mich fuer ein paar Monate verabschiede. Ich werde mir ein altes Auto kaufen, meine Buecher und meinen llcx einpacken und mich dort einmieten, wo es mir gefaellt. Seit ungefaehr einem Jahr geistert mir Spanien durch den Kopf, weil ich schon dreimal dort war und es mir gefallen hat, weil ich ein bisschen Spanisch kann und weil es im Sueden liegt. Seit ich weiss, dass es Euch gibt, gibt es einen weiteren Grund: Ich wuerde gerne in Navia Station machen und Euch kennenlernen. Schreibt mir oder sendet mir ein Fax, ob Ihr an einer Begegnung interessiert seid.

Gernot Tscherteu – realitylab